Die
Philosophie liegt auf der Straße - abgeschlagen
durch die profane Wirklichkeit. Auf die großen
Fragen des Lebens scheint es keine Antworten zu geben.
Wo ist der Sinn? Gibt es einen Gott? Was geschieht
nach dem Tod? Immer wieder thematisiert der US-Filmkomiker
Woody Allen in seinen Filmen, Theaterstücken,
Kurzgeschichten und unzähligen Gags dieses Dilemma.
Die Bauchlandung ist unvermeidlich. Sie hat Methode:
Die großen Geister versagen. Die Philosophen
vermögen allenfalls mit den Achseln zu zucken.
Für die ersehnte Lebenshilfe taugen sie allemal
nicht.
Mickey
(Woody Allen), der komische Held aus "Hannah
und ihre Schwestern", bewegt sich in einer zermürbenden
Existenzkrise: Er hat seine Arbeit als Produzent lächerlicher
TV-Serien kurzerhand an den Nagel gehängt. Der
abschlägige Befund der Ärzte wirft ihn,
den Hypochonder mit seinem vermuteten Gehirntumor,
aus dem Gleis. Er könnte leben, wenn er denn
angesichts des letztlich unvermeidlichen Todes nur
wirklich "könnte". Nun befindet er
sich auf der verzweifelten Suche nach befriedigenden
Antworten auf seine Sinn-Fragen.
Mickey
ist die Karikatur eines Intellektuellen: entfremdet,
außer sich, nichtsnutzig, beziehungslos. Gerade
mit dieser Kunstfigur hält Woody Allen seinem
Publikum den Spiegel vor. Gemeint sind mit ihr vor
allem jene Intellektuellen, Künstler und Möchtegerns,
die New Yorks Manhattan bevölkern. Es sind Allens
Zeitgenossen, Gesprächspartner, vielleicht Nachbarn,
Bekannte, Freunde, Verwandte. In der komischen Verzerrung,
in Zuspitzung und Übertreibung wird ihnen das
Wiedererkennen erträglich gemacht. Im genau getimten
Lacher löst sich der Schock.
Gelacht
wird freilich nicht nur drüben, in den Staaten.
Die Figur des ewigen Pechvogels, des Hypochonders
und rastlosen Sinn-Suchers schlägt auch hierzulande
Saiten an, bewegt zum Schmunzeln und Lachen, die allemal
kleine Wunden reißen. Das Nach-Denken ist in
Gang gesetzt. Der Komiker erweist sich einmal mehr
als Philosoph, Soziologe und Pädagoge in Personalunion.
Das Kalkül scheint aufzugehen: Neben Unterhaltung
- vielleicht gar im Medium der Unterhaltung - zeichnet
er das treffliche Sittengemälde des amerikanischen
Bildungsbürgertums. Erkennt es sich in Mickey
in einem Zerrspiegel, erlangen die anderen Protagonisten,
zumal in einem Film wie "Hannah und ihre Schwestern",
fast dokumentarische Authentizität.
In
Allens Verbalkomik treffen hehrer Tiefsinn und hanebüchene
Banalität aufeinander. Es ist der typisch jüdische
Ostküsten-Defätismus, der dabei durchblitzt
und damit sowohl die "großen Geister",
als auch den profanen Alltag aus den Angeln hebt.
Ein Beispiel aus "Hannah und ihre Schwestern"
mag das verdeutlichen: Mickey verlässt die Bibliothek,
in der er sich Rat gesucht hat. In dieser Szene ist
Rodins "Denker" als visueller Kontrapunkt
und Kommentar mit ins Bild genommen.
Mickeys
Geisterstimme (innerer Monolog): "Millionen Bücher
über jedes erdenkliche Thema, geschrieben von
all diesen großen Geistern, und letzten Endes
weiß keiner von denen auch nur ein bisschen
mehr über die großen Fragen des Lebens
als ich. Nehmen wir mal Sokrates, den hab' ich auch
gelesen. Sie wissen doch, dieser Bursche, der's so
gern mit den kleinen Griechenjungs gemacht hat. Was
zum Teufel soll mir so einer zu sagen haben?"
Oder aus einem Text, in dem sich Allen über seine
Philosophie auslässt, nicht ganz ernst, versteht
sich. "Die Entstehung meiner Philosophie ging
folgendermaßen vor sich: Als meine Frau mich
von ihrem ersten Soufflé kosten lassen wollte,
ließ sie aus Versehen einen Löffel fallen,
was mir mehrere Knochen brach. . . " Der Fortgang
der Szene lässt sich leicht erahnen: Zu seiner
Genesung nimmt Allen einen Stapel philosophischer
Bücher mit ins Krankenhaus. Folge: Er verfasst
die "Kritik des Reinen Schreckens", in der
es u. a. heißt:
"Können
wir das Universum wirklich kennen? Mein Gott, es ist
doch schon schwierig genug, sich in Chinatown zurechtzufinden."
Allens Lebenswelt und sein Selbstverständnis
als Künstler setzen einerseits literarische und
philosophische Bildung - seine und die seines Publikums
- voraus und doch spielt er andererseits ironisch
mit deren Anspruch, so als ob er die selbstgefällige
Überheblichkeit derer treffen will, die mit ihrer
Bildung kokettieren. Was haben uns die Philosophen
schon zu sagen?
Was
zu sagen wäre, liegt für Allen als Autor
auf der Hand, allein es lässt die von ihm verkörperten
Helden unbefriedigt: Sie sollten einfach leben, anstatt
das Leben zu zerreden - wie es im wesentlichen auch
die anderen Protagonisten der Filme dauernd vorführen.
Als Ausgangspunkt - existenzialistische und pragmatische
Schlussfolgerungen sind durchaus mit im Spiel - nennt
Autor Allen die Sinnlosigkeit und Unergründlichkeit
des Lebens. "Das Leben ist sinnlos", überschreibt
er daher mit Berufung auf Tolstoi eine zentrale Filmepisode
aus "Hannah und ihre Schwestern". "Dies
ist die einzige Gewissheit, die der Mensch zu erlangen
imstande ist."
Die
Philosophie liegt auf der Straße. Liebe und
Beziehungen heißen laut Allen ihre Grundlagen.
Die Personen des Familiendramas brauchen Zeit, diese
Erkenntnis für sich umzusetzen und anzuerkennen.
Der
in "Hannah und ihre Schwestern" bezeichnete
Zeitraum von zwei Jahren mitsamt seinen mannigfaltigen
"Erfahrungen" scheint letztlich dafür
doch nicht auszureichen. Die Personen finden sich
in Familien und Beziehungen ein, die bereits den Nährboden
für neue - ganz ähnliche - Dramen in sich
zu tragen scheinen. Nur in einem Gedanken Mickeys
blitzt die hoffnungsträchtige Erkenntnis auf.
Sie ist Triebkraft des Geschehens, ohne doch wirklich
erfüllt zu werden. Denn vielleicht haben ja die
Dichter recht, im Unterschied zu den großen
Denkern, sinniert Mickey: "Vielleicht ist die
Liebe die einzige Antwort."
Chaotisch
und hilflos sind die handelnden Personen in die Suche
nach Liebe verstrickt, Hannah und ihre Schwestern
und die mit ihnen verbundenen Männer. Woody Allen,
der New Yorker Balzac, zeichnet in Episoden das Sittenbild
- treffsicher bis in die Genealogie der Neurosen,
mit denen sie sich allesamt herumschlagen müssen.
Menschen sehnen sich da nach Liebe und suchen doch
nur nach Nestwärme und Sicherheit. Tatsächlich
vermeinen sie wirklich zu lieben, wo sie sich ans
kleine Abenteuer und in flüchtige Beziehungen
verlieren. Der Autor Allen hat dabei in "Hannah
und ihre Schwestern" seine Antwort stets im Blick.
Sie ist innerhalb des Oeuvres gleichwohl neu und überraschend,
denn bislang ist Allen in seinen Filmen niemals so
deutlich geworden, ohne durch Ironie und Spott seine
Position gleich wieder in Frage zu stellen. Denn bis
zu "Hannah und ihre Schwestern" endete die
Entlarvung der Lebenslügen und neurotischen Spiele
der Zeitgenossen in nihilistischer Ausweglosigkeit
Der
Weg des "Stadtneurotikers" ist lang. Noch
in "Manhattan", quasi der Vorstudie zu "Hannah
und ihre Schwestern" musste sich Isaac (Woody
Allen) von seiner gerade 18 gewordenen Freundin und
Gespielin Tracy belehren lassen. Sie auf dem Entwicklungs-Sprung
nach London, wo sie für sechs Monate eine Schauspielschule
absolvieren will; er gerade erst auf sich selbst zurückgeworfen,
wieder auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Was
macht das Leben trotz alledem (wechselvolle Beziehungen
liegen gerade hinter ihm) noch lebenswert? Isaac gibt
sich selbst Rechenschaft: Groucho Marx (auch er holt
in "Hannah und ihre Schwestern" den komischen
Helden wieder auf den Boden zurück), der zweite
Satz der Jupiter-Symphonie, Louis Armstrongs Aufnahme
des "Potato-Head-Blues", Flauberts "Education
sentimentale", Cézannes Stilleben und
- Tracys Gesicht. Die Einsicht kommt auch diesmal
zu spät. Zumal sie sich erst einmal allein an
Äußerlichem entzündet. Tracys "erwachsene"
Belehrung scheint Isaacs Problem voll zu treffen:
"Du
musst ein bisschen Vertrauen in die Menschen haben."
Und in die Liebe. Doch die muss Isaac erst noch lernen.
Sechs Monate Karenzzeit verbleiben ihm da, um erwachsen
zu werden. Ob es ihm gelingt, bleibt offen und der
Entscheidung des Zuschauers überlassen.
In
"Hannah und ihre Schwestern" soll darüber
kein Zweifel aufkommen. Nach den zwei Jahren scheinen
die Verwirrten geläutert, aus Erfahrungen klug
geworden, finden sie sich doch alle am Busen einer
heilen Familie wieder.
Trautes
Heim. Also doch: "Die Menschen sollten sich fürs
ganze Leben paaren, wie Tauben oder Katholiken",
heißt es noch melancholisch-ironisch in "Manhattan".
In seinem vierzehnten Film steht für Allen diese
Position am Schluss - ungebrochen. Es gibt ein echtes
Happy-end, sentimental bis kitschig wie es ehedem
schon Hollywood liebte: Die Großfamilie beim
Thanksgiving-Fest auch noch um einen gemeinsamen Tisch
versammelt, sie feiert sich selbst. Sie hat auch die
neurotischen Verirrungen ihrer Mitglieder heil überstanden,
die verzweifelten Seitensprünge, so als ob sie
selbst daran nicht teil gehabt hätte. Die Krankheit
"Familie" heilt sich durch sich selbst.
Als
Zuschauer mag man der neuen Glaubensformel des Regisseurs
misstrauen. Hinweise für eine ironische Brechung
indes findet man im Film selbst nicht. Allens Votum
für die Familie deckt sich mit dem Selbstverständnis
der modernen Gesellschaft, vermutlich jenseits und
diesseits des großen Teiches. Die nährende,
verzeihende, alles richtende Mutter, von Allens Lebensgefährtin
Mia Farrow schmerzhaft genau verkörpert, ist
auch hierzulande Symbolfigur einer neuen - reaktionären
- Familienideologie geworden.
Allen
zeigt sich indes mit "Hannah und ihre Schwestern"
auch als feinnerviger Chronist der bestehenden Bewusstseinslage,
bedenklich allenfalls da, wo er auch als Clown selbst
nicht mehr zum Widerspruch auffordert, sondern subtil
die neue Philosophie deckt. Was nämlich wäre,
wenn Mickey nicht als Spaßvogel ab und an zum
befreienden Lachen Anlass böte? Hannah, die Heilige
aus der Küche, wäre als unfreiwillige Witzfigur
dem Gelächter des Publikums preisgegeben. Schwer
nur erträglich erscheint sie zumindest bis kurz
vor Ende des Films: selbstgenügsam, mütterlich,
fürsorglich und bis zur Tumbheit unsensibel.
Sie macht, wie alle anderen am amourösen Reigen
beteiligten Personen auch, eine kleine Entwicklung
durch - doch nicht dass sie damit bereits gegen eine
erneute Anfeindung des Lebens gefeit wäre. Darauf
gibt es nicht einmal eine Hoffnung. Denn alle haben
es sich im Nest trauter Zweisamkeit mit all ihren
neurotischen Beschädigungen wieder herrlich bequem
gemacht.
Hannah vernimmt leise ihre Bedürfnisse nach Geborgenheit
und Zärtlichkeit. Doch bevor sie diese gegenüber
ihrem Mann Elliot ernsthaft behaupten kann, hat er
sie bereits wieder auf ihre alte, vertraute Rolle
zurückgeholt - die Mutter. Das Bild ist nur zu
deutlich: Er hat gerade erst erfahren, dass sein Techtelmechtel
mit Lee endgültig vorbei ist. Also ist es denn
besser, alles schön beim Alten zu belassen. Dass
zwingt ihn auch nicht, endlich erwachsen zu werden.
Eine echte Entscheidung für oder gegen Hannah
wäre dafür der erste Schritt gewesen. Bezeichnenderweise
entscheidet sich schließlich Lee. Sie verlässt
den Miesepeter Frederick, aber nicht um zu Elliot
zu gehen, sondern mit ihrem Collageprofessor eine
Familie zu gründen. "Ich fühl mich
so allein", sagt Hannah in der Dunkelheit des
ehelichen Schlafzimmers. Elliot: "Du bist nicht
allein." Minimalkonsens. Dabei halten die Kinder
sich bei den Händen, das gibt Sicherheit, bestärkt
gegen die Angst vor Einsamkeit - doch für das
Glück und die Liebe, von derer sie alle Weiter
träumen, reicht es noch lange nicht.
In der Vorstellung der Protagonisten entzündet
sich Liebe an Äußerlichkeiten. Mit Elliots
innerer Stimme beim traditionellen Thanksgiving-Fest
beginnt auch das Spiel: "Gott, ist sie schön
... Sie hat die herrlichsten Augein. Und in diesem
Sweater wirkt sie derart sexy!" Elliot hat damit
buchstäblich ein Auge auf seine Schwägerin
Lee geworfen. Und in seinen sehnsuchtsvollen Träumen
erfüllt sich Liebe nur mit ihr. Ihr gegenüber
könnte er ja auch einmal, versuchsweise zumindest,
als Erwachsener, als Mann, auftreten. In seiner infantil
geprägten Beziehung zu Hannah scheint das nicht
möglich. Denn Hannah ist das vereinnahmende Muttertier.
Bei ihr kann er in seiner Schüchternheit und
Linkischkeit als Trottel und zu groß geratener
Bub auftreten. Bei ihr braucht er nicht wirklich erwachsen
zu werden. Das ist bequem, weil ihm alles gerichtet
wird.
Mit dem Erwachsen-Werden haben alle Personen der Familiengeschichte
so ihre Schwierigkeiten. Infantile Denkweisen bestimmen
folglich die laufenden Gefühlsverwirrungen und
die Träume vom Leben und der Liebe. Und Hannah,
der ruhende Pol in der Geschichte, die Heilige der
Familie? Auch sie scheint fatal an ihrer Entwicklung
gehindert zu sein, gebunden beispielsweise an die
Liebe ihrer Eltern. Sie hat sich kaum von ihnen abgenabelt,
richtet ihr Leben wie nach einem unsichtbaren Plan
ihrer Eltern ein. Der Erfolg als Schauspielerin (auch
die Eltern haben auf der Bühne gestanden), als
Frau von Elliot und als Mutter zweier Kinder mag daher
mehr den Eltern, denn ihr selbst gefallen. Elterliche
Liebe und mütterliches Verständnis entfalten
zuweilen einen entwicklungshemmenden Druck. Diese
Erfahrung gibt Hannah unbewusst und unreflektiert
an ihre Nächsten weiter. Nichts nämlich
macht sie für sich. Da wirkt es als ein echter
Fortschritt, wenn sie am Schluss des Films vor Elliot
- wenn auch leise und sehr vage - ihre Bedürfnisse
reklamiert.
Auch die merkwürdige Beziehung zwischen Lee und
dem unerträglich besserwissenden Künstler
Frederick steht auf tönernen Füßen.
Lee, ehemals eine Alkoholikerin, hat den Hang zur
Flasche mit der Abhängigkeit zu dem Mann vertauscht.
Er dekretiert an ihr sein misanthropes und sarkastisches
Weltbild - behauptet sie zu erziehen und zu bilden.
Mag er damit sie von ihrem Alkoholismus geheilt haben,
als Vorbild taugt er nichts. Denn auch er ist letztlich
unselbständig und aus sich heraus kaum lebensfähig.
Immerhin bildet Lee für ihn den einzigen Kontakt
zur Außenwelt. Seine Unfähigkeit zu leben
hat ihn zu einem Sarkasten gemacht. In seinen Projektionen
erscheint das Leben außerhalb seines Lofts von
bösen Mächten beherrscht. Als Lee sich von
ihm trennen will, fällt seine geistige Potenz
in sich zusammen. Zurück bleibt ein Häuflein
Elend, das Lee wimmernd um die Fortsetzung der Beziehung
anfleht.
Gerade in der Beschreibung solch belasteter Beziehungsgeschichten
erweist sich Woody Allen nicht bloß als Unterhaltungskünstler
und Komiker, der mit den Gebrechen und Beschädigungen
seiner Zeitgenossen - wohl einschließlich seiner
eigenen - seinen Schabernack treibt, sondern als Gesellschaftskritiker,
der nicht selten den Scherz in Schrecken umschlagen
lässt. Der Zuschauer wird am Revers gepackt und
kräftig (mitunter von Lachen begleitet) durchgeschüttelt.
Sensibel umspielt er, "ein Reinhold Messner im
Neurosengebirge unserer Zivilisation" (DER SPIEGEL),
das Selbstverständnis seines Publikums.
Ob er damit freilich in einem pädagogischen Verständnis
gar Veränderung, Neuorientierungen bewirkt, sei
einmal dahingestellt. In Allens philosophischer Orientierung
sind denn auch vermutlich die aufgeworfenen Fragen,
das Infragestellen, wichtiger als die Antworten. Große
Geister lassen grüßen.
"Hannah und ihre Schwestern" bieten ein
positives Modell. Ihre Familie besteht als legitime
Fluchtburg. Doch Flucht vor wem oder was? Gesellschaft
erschließt sich bei Allen nur als psychologische
Dimension. Alles dreht sich um Eigenwelten, ums "Ich".
Die Probleme der Welt bleiben dort. So gibt es keinen
Film von Allen, in dem das Reich der Arbeit in seiner
Auswirkung auf das Individuum angemessen reflektiert
wird. Auch das kennzeichnet das Selbstverständnis
seiner Klientel, die immer nur den Blick auf sich
selbst, auf die eigene Befindlichkeit und Seelenlage
zu richten vermag. Verständlich, dass kaum eine
Allensche Figur ohne Psychiater auskommt. "Das
ist ein Problem für deinen Analytiker - und meinen",
man geht in "Hannah und ihre Schwestern"
einer süffisanten Auseinandersetzung aus dem
Wege. Und in "Manhattan" diktiert Isaac
(Woody Allen) bedeutungsvoll auf seinen Kassettenrecorder:
"Die Leute von Manhattan machen sich ständig
neue, in Wirklichkeit unnötige Probleme, die
sie davon abhalten, sich mit den schrecklicheren,
unlösbaren Problemen der Welt auseinander zusetzen."
So gesehen hat das Modell "Familie" - vielleicht
hinter dem Rücken seines Autors - einen Knacks.
Die Schlussszene aus "Hannah und ihre Schwestern"
entfaltet eine ironische Komponente: Da treffen sich
zum zweiten Thanksgiving alle in seltsam geordneten
Familienverhältnissen wieder - Norma und Evan,
die streitsüchtigen Eltern scheinen versöhnt,
Hannah lebt wieder mit Elliot, Lee hat ihren Doug
gefunden und Mickey versucht neuerlich sein Glück
mit Holly. Vor dem Spiegel: Wie zur Ruhe gekommen
resümiert Mickey das Beziehungstohuwabohu und
gesteht seiner Frau seine Liebe. "Das Herz ist
ein eigenartiger Muskel." Im Hintergrund dampft
derweilen der Truthahn auf dem Festtisch. Es ist Erntedank.
Die Saat ist aufgegangen - wider Erwarten auch beim
vermeintlich impotenten Mickey. Holly: "Mickey
- ich bin schwanger. " Es geschehen noch Zeichen
und Wunder.
Wenn so sympathisch in ihrer Begrenztheit Menschen
Konflikte mit sich lösen, die non-fictional zur
Explosion treiben würden, dann kann alles nicht
so schlimm sein. Diese tröstende Botschaft des
Films schlägt - menschlich genug - um in romantische
Reaktion. Diese ist "angesagt".
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