Berichte
Wo sich Elephant und Löwe gute Nacht sagen
Der Allwetterzoo beweist sich immer mehr als eine der attraktivsten Freizeitangebote von Münster: Über 800.000 Besucher ließen sich im vergangenen Jahr von den wilden
Tieren in ihren Gehegen auf der Sentruper Höhe begeistern -
ein beachtlicher Erfolg. Doch Jörg Adler, der oberste Tierhüter, mag sich so gar nicht auf dem Erreichten ausruhen. Er hat
sich noch einiges vorgenommen.

Seine bevorzugte Spezies wird er ohne weiteres bestimmt nicht hinausposaunen. Die Frage nach seinem "Lieblingstier" ist ihm schon zu häufig gestellt worden. Pfiffig und mit Charme weiß er sie zu parieren. Jörg Adler, seines Zeichens Zoologischer Direktor des Allwetterzoos in Münster ist ein hervorragender Marketingmann, der jede Gelegenheit zu nutzen weiß, um Bündnispartner, Sponsoren, Förderer und nicht zuletzt Besucher zu werben.

Selbst vor einem launigen Auftritt in der karnevalistischen Bütt schreckt er da nicht zurück, wenngleich er, der ursprünglich aus Leipzig - nicht unbedingt einer Hochburg des närrischen Treibens - stammt, inzwischen darüber auch Spaß an der Freud' gefunden hat. "Meine erste Sorge gilt den Besuchern", antwortet er mit einem verschmitzten Griemeln um die Augen. "Für unsere Tiere ist bestens gesorgt. Dafür habe ich mein Personal. Meine Aufgabe ist es, dass unsere Besucher ihre Freude haben, etwas lernen und es weitertragen, dass ein Besuch im Zoologischen Garten eine aufregende Sache ist, die sich lohnt." Jörg Adler kümmert sich um jedes Detail, damit sich neben den ihm anvertrauten Tieren vor allem auch die Besucher im Tierpark rundum wohl fühlen und gerne wiederkommen.

Der Tierfreund hat daher, seit er im Sommer 1996 zum Zoologischen Direktor bestimmt wurde, auch eine ganze Reihe von Neuerungen im Münsterschen Zoo durchgesetzt. Einige der Gehege im einst als unpersönlicher Betonzoo gescholtenen Tiergarten wurden rückgebaut und für die Tiere angenehmer gestaltet. Außerdem gibt es jetzt mehr Gehege, die den Besuchern ein unmittelbares Erleben und einen direkten Kontakt zu vielen Tieren erlauben. Der Unterhaltungswert für den Menschen ist dabei ein durchaus erwünschter Nebeneffekt.

Die Elephantenfütterung durch Besucher beispielsweise bringt für die Tiere eine Abwechslung in den Zooalltag und für den Menschen "hautnahe" Rüsselkontakte. Der Pinguinmarsch auf Besucherwegen oder das Kegelrobben-Training dienen der Fitness der Tiere, und die Menschen erfreuen sich daran. Begehbare Affengehege oder Schlangen und Echsen zum Anfassen gehören zum Konzept. Münster ist auf dem Weg zu einem "Erlebniszoo". Denn: "Nur wer im buchstäblichen Sinne etwas begriffen hat, wird sich aus Überzeugung für die Erhaltung der Tierwelt einsetzen", erläutert Adler die Hintergründe. Und daran liegt ihm ganz besonders. Zoologische Gärten haben seiner Überzeugung nach in doppeltem Sinne für die Artenvielfalt und Arterhaltung zu sorgen. Manche Nachzucht ist inzwischen nur noch durch sein Engagement und das seiner Kollegen möglich und darüber hinaus geht es darum, Bewusstsein für die Natur zu wecken.

Jörg Adler weiß wovon er spricht. "Die Bedrohung unserer Erde hat ein so rasantes Tempo angenommen, dass mir Angst und Bange um unsere Zukunft wird. Es ist längst fünf vor zwölf", beteuert der Zoodirektor, der sich neben seiner Arbeit im Zoo in diesem Sinne beispielsweise ganz praktisch und tatkräftig für den Schutz von zwei Affenarten in Vietnam engagiert. "Die Menschen missachten sträflich, dass es sich bei unserer Erde um ein großes System von Abhängigkeiten handeln. Unser Ökosystem droht über kurz oder lang irreparabel umzukippen. Unter diesem Aspekt ist unsere Sorge um die Arterhaltung ein notwendiger Dienst an der Menschheit."

Die tagelange Fahndung nach einem ausgebüchsten Pinguin und die Sorge um ein leider nicht lebensfähiges Elephantenbaby - übrigens das erste, das überhaupt in Münster zur Nachzucht geboren wurde - haben im vergangenen Jahr für medienwirksame Aufmerksamkeit gesorgt. Die beiden Schicksale, die bundesweit durch die Medien gingen, haben das Zuschauerinteresse immens beflügelt und es für Jörg Adler etwas einfacher gemacht. Die Spendenbereitschaft ist größer geworden, reicht aber längst nicht aus, all die Aufgaben zu bewältige, die sich den Tierfreunden und Naturschützern stellen.

Sieht man sich die Besucherstatistik an, wird schnell deutlich, dass über die Begeisterung der Münsteraner über "ihren" Zoo hinaus es vor allem die vielen tausend Gäste und Reisende sind, die sich auf ihren Rundgang in die Natur und das Reich der Tiere entführen lassen. Ein Besuch im Zoo gehört mittlerweile wieder regelmäßig zum Besuchsprogramm unserer Gäste. Der Rundgang von ca. 4,5 Kilometer führt sie an gut 3.300 verschiedenen Tieren vorbei, kleinen und großen. Sehenswert sind sie allemal.

Jörg Adler kommt nicht von ungefähr regelmäßig ins Schwärmen, wenn er von seinem Park spricht. Das Wohnhaus seiner Familie ist in den Zoo integriert. "Eine privilegierte Situation, die wir ganz besonders genießen." Der umtriebige Adler hat sich mit Haut und Haaren den Tieren verschrieben, lässt keine Gelegenheit aus, um über die Natur zu berichten, lebendig und pointenreich für den Naturschutz zu werben. Dass das mitunter an die Grenzen von Belastbarkeit und Gesundheit geht, hat vor allem seinen Arzt auf den Plan gerufen. Der hat ihm kurzerhand zur Therapie einen eigenen Hund verschrieben. Damit er wenigstens einmal am Tag eine Runde spazieren geht, joggt und einmal nicht an seine Arbeit denkt. "Doch wissen Sie, wer heute unseren Hund Gassi führt?!", fragt er mit vertrautem Schalk um die Augen. Keine Frage. Seine Frau natürlich.